Seek II

1999. Zunächst wollte ich in meinem geplanten Film "Das Netz" das Verhältnis von Kunst und Technologie vor dem Hintergrund einer digitalen Revolution untersuchen, die in diesen Jahren begann, sich auszubreiten. Doch nach und nach verschoben sich bei der Recherche die Gewichte, weil Kunst mir lediglich nachzuvollziehen schien, was zuvor in den Laboren und Werkstätten von Universitäten und Firmen erdacht und gebaut worden war. Waren Künstler damals nur "cheerleader" für die ursprünglich von Wissenschaftlern und Technikern geprägten Ideen?
Übriggeblieben von meinem ursprünglichen Ansatz für den Film waren Fragen dieser Art und, als ein Ergebnis meiner Recherchen, Material zur Ausstellung „SOFTWARE Information Technologie. Its new Meaning for Art“, die 1970 im Jewish Museum in New York stattfand. Hauptanziehungspunkt dieser Ausstellung war für das Publikum eine kybernetische Maschine mit dem Titel "Seek".
„Seek“ schien die spielerisch-künstlerische Vorwegnahme eines Gesellschaftsmodells, dessen Konturen sich 1970 schon erahnen ließen. Im für den Film „Das Netz“ geführten Interview sagte mir Jack Burnham, der Kurator der Ausstellung: „Seek war irgendwie wie H.G. Wells, sehr futuristisch, und man stellte sich vor, dass sowas in Zukunft vielleicht passieren könnte. Und zwar mit Menschen, nicht nur mit Ratten.” Das ging mir lange nicht aus dem Kopf. Wie kamen Künstler, Architekten und Ingenieure dazu, so eine Maschine zu bauen? Wie konnte ich deren Genealogie beschreiben? Und, war der Nachbau der Maschine nur eine technisch-handwerkliche Aufgabe oder gab es ein zu ergründendes zusätzliches Geheimnis der Maschine, das tief und fest in die magischen Zahlenspiele des Computers eingeschrieben war, der die Maschine steuerte? Wie sichtbar machen, was nicht sichtbar ist?
Mit einem Team baute ich 2007 ein Replikat, "Seek II“.

Ich wollte aber nicht nur eine Maschine nachbauen sondern auch versuchen, für etwas, das nur als immaterielle Abstraktion, als Rechenmodell, als Zahlensammlung oder Simulation darstellbar war, wie zum Beispiel die Kybernetik, ein Präparat herzustellen. Also ein Objekt, das in der Naturkunde lange Zeit zu Anschauungs-, Lehr-, Demonstrations- oder Forschungszwecken diente. Ein reales „Ding“ in einem realen Raum, das man anfassen und um das man herumgehen konnte. Ich war neugierig, ob dieses „Ding“ die spirituelle Dimension und die gegenständlich gewordene Wahrheit einer mathematischen Idee einfangen würde - und auch ganz simpel, wie ein heutiges Publikum auf eine Versuchsanordnung von 1970 reagieren würde.
2021 baute ich mit Mitarbeitern eine neue Version von „Seek II“, die noch näher am Original ist und 2023, ergänzt mit anderen Materialien, die „Seek II“ in einen Kontext stellen, als Installation in der Ausstellung „Renaissance 2.0“ im ZKM in Karlsruhe gezeigt wird. Die Textcollage Seek II. Material soll diese Installation ergänzen, um durch eine Art vergleichender Kunstgeschichte die Strömungen des Denkens, der Wissenschaft, der Politik und der Kunst zusammenzuführen, die mir für die Genealogie von „Seek“ bedeutsam erschienen.

Textcollage Seek II. Material

 

Dreiteilige Videodokumentation, die den Aufbau von „Seek II“ (1), die Präsentation in einer Ausstellung (2) und die Präparation einer mongolischen Wüstenrennmaus, die während der Ausstellungszeit im Museum starb (3), zeigt.
2007 gefilmt mit einem MiniDVD-Camcorder.



Seek II - Making of, 2007 (31:02 min.)





Seek II - Hamburger Kunsthalle, 2009 (7:38 min.)





Seek II - Präparation, 2009, stumm (28:17 min.)